Abgebogen

Ein Urlaub in der Auszeit. Nötig? Möglich? Durchführbar? Wir biegen ab, weichen aus und landen hunderte Kilometer entfernt in Europas Hitzewelle.

Die Überfahrt

Nach unserem Schock beschließen wir in einer Werkstatt das Auto überprüfen zu lassen. Irgendwo werden wir schon eine Werkstatt finden. Und wie es das Glück so will, treffen wir direkt am Abend am Kiosk einen Mann, der Deutsch spricht. Der Einzige. Er ist Mechaniker, hat fünf Jahre in der Nähe von Nürnberg gearbeitet und ist dann enttäuscht von Deutschland hierher zurück gekehrt. Er hat nun zusammen mit seinem Sohn eine Werkstatt. Was ihnen bleiben sind die Erfahrung und die Deutschkenntnisse. Wir hören zu und vereinbaren ein Termin. Beziehungsweise sagt man nur, dass man kommt. Termine braucht es nicht, genauso wenig wie sie eine Adresse oder Schild haben. Man ruft an und sie erklären den Weg. Das Auto wird durchleuchtet und wir können beruhigt weiter fahren.

Eigentlich war der Plan weiter gegen Osten Bulgariens bis an das Schwarze Meer zu fahren. Dort sollte es die Küste weiter in den Norden bis nach Rumänien gehen. Doch erfahren wir zufällig, das Freunde und Verwandte von uns nach Griechenland fliegen, um Urlaub zu machen. Und nicht nur das, Lilous Oma ist Anfang Juli auch in der Nähe von Athen. Das sind schon viele schöne passende Begebenheiten. Außerdem haben wir seit mehr als zwei Wochen jeden Tag Regen und mit wechselhaften Wetter kalt und warm. In Griechenland soll es schöner und warm sein. Wir sind spontan! Wir biegen ab!

Wir beschließen Bulgarien vorerst zu verlassen und später wieder zu kommen. Wir machen einen Covid-Test und erfüllen die Auflage zum Ausfüllen eines PCL-Dokuments. Das stellt uns vor kleine Herausforderungen, da man angeben soll, wo man die Grenze passiert und wohin es geht. Wir schlafen im Auto, haben also gar keine richtige Adresse. Geben also die, der Bekannten an. Wo wir die Grenze passieren, beziehungsweise den Namen herauszufinden ist sogar schwer auf Maps nachzusehen. Also wird geraten. Am nächsten Morgen geht es voller Vorfreude an die Grenze. Viele LKWs sind unterwegs, PKWs sehen wir keine. Kein Wunder, den als wir an den Polizeihäuschen stehen, schaut man uns mit entgeisterten Augen an. Hier ist kein Durchkommen. Nur LKWs dürfen passieren, für zivile Personen ist der Grenzübergang gesperrt. Auch mit negativen Test und allen nötigen Dokumenten. Es gibt kein Arzt hier, der den Test ausreichend genug analysieren kann. Wir müssen zurück und 100 km weiter an den anderen Übergang. Der ist offen. Notgedrungen biegen wir erneut ab.

Der Umweg kostet uns Zeit und die ist beim Fahren mit Lilou kostbar. Unendlich kann man mit ihr nicht fahren und so schrumpft unser Kontingent merklich. Auch ist die Route von Sarah nun hinfällig. Fein säuberlich sucht sie regelmäßig unsere Stellplätze aus. Fein säuberlich aufeinander abgestimmt mit Wasser zu nötigen Zeiten und der richtigen Umgebung. Außerdem wird analysiert was in der Nähe zu sehen oder zu tun ist. So haben wir einige Wanderungen nur wegen ihrer Recherchen gemacht. Mittlerweile ist sie so gut und fit darin – ich vertraue ihr blind und halte mich direkt raus – das sie schnell umdisponiert. Doch schon vor der Grenze wird es warm, richtig heiß und das Thermometer kratzt an den 30 Grad bis es sie auch bald durchstößt. Dazu kommt ein langer Stau vor der Grenze. Absoluter Stillstand und die Leute stehen außerhalb ihrer Autos auf der Straße. Wir sind nicht die einzigen, die nach Griechenland wollen und so warten wir. Lilou wacht auf und Sarah und sie gehen nach hinten. Dort ist es besser zu spielen. Zum Glück geht es widererwarten schneller vorwärts, auch weil die Klimaanlage an ihre Grenzen im Stand stößt. Wir schwitzen. Und so geht es wohl allen anderen auch. Deshalb geht es schnell. Kaum an der Grenze werden in wenigen Sekunden unsere Pässe betrachtet. Die Covid-Tests kurz in die Hand genommen, ohne auf das Ergebnis zu schauen und dann fragt man noch Proforma nach den PCL. Der QR-Code, den man unbedingt dafür bereithalten sollte, wird nicht eingescannt und man winkt uns durch. Wir sind in Griechenland.

Der Klimawandel

Wer sich nun auf die Statistik aus Bulgarien und den Abschluss freut, den muss ich enttäuschen. Aber keine Sorge, nicht weil ich die Zahlen vergessen oder noch schlimmer gar nicht gesammelt wurden. Sondern weil wir uns entschlossen haben, nochmal nach Bulgarien zurückzukehren. Erst nach dem zweiten Besuch wird die entgültige Statistik veröffentlicht. Also keine Sorge, nur Geduld. Über der Grenze fahren wir weiter, aber nicht sehr weit. Alle brauchen Pause und Bewegung. Der Umweg und das warten fordern ihren Tribut. Wir halten an einem langen Fluss und in den Ausläufern der großen umliegenden Wiese. Neben uns ist ein Sumpf und wir parken am einzigen Schattenspenden Baum. Die Hitze hat uns eingeholt und wir sind mittendrin. Es ist so heiß, dass wir uns nicht aus dem Schatten wagen. Dabei gibt es einiges zu sehen. Störche, Komorane und andere Vögel, die ich mehr aus dem Zoo oder Bilderbuch kenne. Und dann kommt eine riesige Herde Wasserbüffel an uns vorbei gelaufen. Bewacht von acht Hunden. Zieht sie über die Wiese und grasst was es zu grassen gibt. Eindrucksvoll mit ihren Hörnern bleiben wir auf Abstand.

Es ist so heiß, dass es sehr lange dauert bis Lilou einschläft. Wenn kein Wind geht, steht die Luft und selbst die Dusche ist warm. Es gibt gefühlt kein Entkommen. Erst am nächsten Tag als wir am Meer ankommen, wir springen sofort rein. Aber das Wasser hat die Temperatur von einer Badewanne und nur das Schwimmen und das tiefere Abtauchen bringen die gewünschte Kühle. Lilou ist begeistert vom Strand. Jetzt wo er eine Zeitlang weg war, scheint sie sich zu erinnern, vergräbt die Füsse und planscht im Becken. Es ist einfach nur fein und Urlaubsstimmung bricht aus. Am Abend sitzen wir draußen und spielen Karten. Ein Auto hält neben uns. Der Fahrer spricht nur griechisch und grinst. Er rennt zum Kofferraum, öffnet ihn und holt einen Sack heraus. Den schmeist er uns neben den Tisch und bevor wir richtig reagieren können, ist er auch schon weg. Ein Geschenk an uns. Ein riesigen Sack frische Muscheln, direkt aus dem Meer geangelt. Und wir essen gar keine Muscheln…

Wir müssen uns erstmal informieren, wie man Muscheln richtig lagert und zubereitet. Aber wir beschließen das nette Geschenk anzunehmen und nehmen uns vor die Muscheln mit zu den Freunden nach Skiathos zu bringen. Also legen wir den Sack wieder ins Meer und am nächsten Tag wird er in einem Handtuch, welches im Meer getränkt war, vorne unter die Füße gelegt. Die Klimaanlage bläst kalte Luft darauf. Im Kühlschrank ist kein Platz. Nun durch das Gastgeschenk kann es nicht mehr so gemütlich weiter gehen. Wir müssen uns beeilen, damit die Muscheln nicht schlecht werden. Also geht es ein wenig zügiger weiter. Immer mit Ziel Meer, um die Muscheln über Nacht darin zu lagern. Manche sind nicht gut, die schwimmen oben. Am nächsten Morgen sind sie leer und ein paar Krebse dran. Wir bleiben dennoch zuversichtlich. Die Temperaturen im Auto sind nur erträglich, wenn ein kleiner Wind weht und so stehen wir mit offenen Türen überall wo es geht. Nicht so in Volos am Ende der Fußgängerpromenade. Direkt beim Skatepark und den Stadtstrand schlafen wir. Es herrscht reges Treiben, weil die Griechen am Abend gegen 22 Uhr mit ihren Kindern zum Essen gehen. Gegen Mitternacht kommen sie zurück. Wir bekommen alles mit und schlafen mit Licht, Lärm und vor allem Wärme nicht ganz so gut. Dafür aber lange und so verpassen wir beinah die Fähre nach Skiathos. Man soll spätestens eine halbe Stunde vor Abfahrt da sein, wir sind es bei 28 Minuten vorher. Dennoch leicht genug und so geht es in der überteuerten Fähre fast drei Stunden auf die Touristen-Insel.

Die Fährfahrt kommt uns sehr lange vor und ist bei Hitze und mit Lilou anstrengend. Außerdem ist es ziemlich voll, trotz Corona. Zum Eintritt muss man einen Zettel ausfüllen, auf dem man bestätigt kein Covid zu haben. Wirklich testen muss man sich nicht, wir haben ein Selbsttest gemacht. Nett ist hauptsächlich, dass wir drei Rumänen treffen. Sie sind ganz begeistert von unserer Reise, uns als Familie und besonders der Vater wünscht sich das für ihn, seine Tochter und Frau auch. Ihm geht Corona sehr gegen den Strich und er bewundert unseren Mut. Sie geben uns eine breite Liste an Orten, die wir in Rumänien besuchen sollen und wir sind ganz gespannt. Es wird nun dort unsere Reiseliste sein. Dann ist endlich wieder Land in Sicht.

Urlaub auf Skiathos

Dann fängt Urlaub an. Denn das Reisen ist gar nicht so viel Urlaub, wie man meint. Ständig ist etwas zu tun und arbeitet man anders. Aber hier gönnen wir uns den Urlaub in der Auszeit. Wir fahren direkt an den Strand zu den Freunden und Verwandten. Auf dem Weg holen wir noch eine Melone und schnitzen sie zu einem Piratenschiff. Eine alternative Geburtstagstorte und dann schlagen wir auf. Groß ist die Freunde auf beiden Seiten. Vier Familien und damit acht Kinder inklusive uns. Eine große Umstellung und Erstmalig für Lilou, die in der Corona-Isolation geboren wurde. Ihre soziale Ader ist auch nicht wirklich ausgeprägt und erst am dritten Tag wird sie ein wenig warm mit den anderen.

Die Muscheln schaffen es übrigens bis nach Skiathos und werden am ersten Abend zubereitet. Ganz frisch aus dem Meer und so gut, wie noch keine, wird uns gesagt. Nach so viel Mühe und einem Handtuch das nach Meer und Fisch riecht probiere ich auch mal eine und finde sie nicht schlecht. Also esse ich gleich mehr, denn es sind leicht genug für alle da.

Wir schlafen im Auto, das im Garten der Ferienwohnung geparkt ist. So müssen wir nichts ausräumen und Lilou hat ihr Zuhause. Wir lassen alles offen und spannen das Netz, dennoch zerfressen uns die Mücken. Ansonsten lassen wir uns fallen. Die anderen geben den Takt und die Ziele vor. An den Strand mit den größeren Kindern schnorcheln, schwimmen, Ball spielen und Sandburg bzw. Hafen bauen. Die Sonne brennt und so werden Schatten Lager aufgebaut und öfters zu Mittag ein Innenraum aufgesucht. Am Abend geht es frisch geduscht Essen, um sich für den nächsten Tag zu stärken. Wir verlassen das Auto und steigen um, leihen drei Boote und düsen einmal um die Insel. Wir kommen an Orte, die man sonst nicht erreicht, schwimmen in klarem und türkisfarbenem Wasser. Die größeren Jungs bei mir fordern eine schnelle Fahrt mit vielen hohen Sprüngen über die Wellen. Da muss man Balance halten zwischen ihnen und der kleinen Lilou. Aber sie ist eine begeisterte Matrossin und zeigt auf jedes Boot und will direkt wieder einsteigen. Nur die vielen Quellen stören das Urlaubs-Erlebnis, weshalb wir uns vom Bootsverleihbesitzer die letzten Tage auf die kleine Nachbarinsel fahren lassen. Dort sind die Quallen noch nicht so zahlreich und wir unbesorgter.

Mein Highlight wird die Erfüllung von Sarahs Geburtstagsgeschenk für eine Tauchstunde. Ich bin zwar seit über 20 Jahren ein Schwimmer und vor Corona auch zweimal die Woche im Wasser. Aber tauchen war ich noch nicht. Die zwei Jungs mit 9 Jahren begleiten mich und wir sind alle sehr aufgeregt und freudig. Nach der Einweisung geht es mit dem Boot an eine kleine Insel. Dort tauchen wir ab, üben das Gelernte und genießen die Freiheit unter Wasser atmen zu können. Wir schweben durchs Wasser und nie kommt die Luftnot und der Drang an die Oberfläche zurück zu kehren. Anschließend nimmt der Tauchlehrer die Jungs an seine Seite und ich darf frei herum schwimmen. Es geht einmal um die Insel, mit Seesternen, Fischen und Krebsen schwimmen. Unglaublich und so kommt uns die Zeit auch viel zu kurz vor. Gleich wollen wir zurück in die Tiefe als wir gezwungen sind aufzusteigen. Wir werden ein wenig getröstet, als wir bei der Überfahrt zu den anderen Delfine sehen, die wenige Meter von unserem Boot entfernt durch die Wellen springen. Ein schöner Urlaub und fein mit anderen zu sein. Deshalb sind wir ein wenig traurig, als sie wieder in den Flieger steigen und wir auf die Fähre fahren. Weiter zum nächsten Ziel – Athen! Die Oma will vom Flughafen abgeholt werden. Aber das ist eine andere Geschichte…

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