Das Märchen vom kleinen Lächeln

Es war einmal vor nicht allzulanger Zeit an einem nicht allzuweit entfernten Ort, da trug sich eine Geschichte zu, die ich euch heut erzählen möchte. Drei Reisende mit seltsamen Gefährt durchstreiften die Lande in recht ungewöhnlichen Zeiten. Nie war die Ungewissheit größer gewesen und die Leute fürchteten die Unsicherheit. Nicht so die Ritterin Lilou, sie war tapfer und ging leichtsinnig durch die Welt. Stets begleitet von ihrer Magd und ihrem Knecht. Doch ihre Tapferkeit wurde auf eine große Probe gestellt.

Lange waren sie unterwegs und hatten bereits vieles erlebt und gesehen. Das gesamte Land stand im Chaos, hatte sich eine Seuche ausgebreitet und den Menschen Angst und Schrecken bereitet. Dennoch wollte die tapfere Ritterin ihre Reise fortsetzen, kannte sie die Welt in ihren jungen Jahren nur als solche. Der Knecht hingegen war immer wieder besorgt und war deshalb froh, die Magd an seiner Seite zu wissen. Irgendetwas lag in der Luft, das konnten sie spüren. Eigentlich waren sie an traumhaften Orten. Schöne Strände, blaues Meer und warmes Wetter. Aber das änderte sich. Die Natur zeigte ihr Gesicht und beschwor einen starken Wind herauf. Die Reisenden störte es zunächst nicht. War es eine willkommene Abkühlung und zu Beginn ein spaßiges Erlebnis. So ließen sie ein Flugobjekt namens Drachen über den Himmel gleiten und erfreuten sich an seinen Kurven und Manövern. Doch wurde der Wind unablässig, zunehmend stärker und begann der Erde zu gebieten. Die Blüten wehten von den Bäumen, Sand wurde in die Höhe gewirbelt und was nicht festgeschnürt war, wurde gepackt und mitgerissen. Ein Spielobjekt des Ritters wurde ins Meer geblasen und nur das mutige und schnelle Eingreifen der Magd, konnte es wieder bringen. Weit und schnell musste sie dafür schwimmen. Die Ritterin schrie, nicht nur aufgrund des Balls, nein auch weil der Sand ins Gesicht und an den Körper prasselte. Hart als würde er geworfen und so zwang das Wetter die drei im die Knie. Sie zogen sich zurück in ihr Gefährt und verbrachten die Zeit so gut es ging im windgeschützten Bereich. Man hörte immer wieder etwas gegen das Gefährt schlagen und auch die Nacht war begleitet von lauten rhythmischen Geräuschen.

Fliehen war angesagt. Dem Wind entkommen und so packten sie ihre Sachen und zogen weiter. Doch egal wohin sie kamen, der Wind war bereits da, holte immer wieder zu einem neuen Schlag aus und machte das Kochen, Duschen, Essen und Draussen sein zu einer kleinen Tortur. Es toste und alle drei liefen stetig mit Mützen oder Stirnbändern herum. Die Schuhe mussten drinnen aufbewahrt werden, so stark war der Wind. Der Sand und die Blüten stapelten sich auf dem Gefährt und hatten mit Hilfe des Winds auch den gesamten Innenraum erobert. Die Ritterin Lilou störte das wenig und befahl der Magd und den Knecht immer wieder Ordnung zu schaffen. Eine Woche ging dies so und auch das Landesinnere brachte nicht die gewünschte Ruhe und windstille. Im Gegenteil, hier wurde die Trauer des Landes nur bewusster. Man traf einen Bauern, der gerade sein Olivenfeld beackerte. Ein kräftiger Mann doch lieb in seiner Art. Die Ritterin Lilou interessiert sich für seine Arbeit und so zeigte ihr der Bauer wie man Traktor fährt und berichtete von seinem Leben. Kein Geld verdienten er und die anderen Bauern. Oliven waren billig geworden, so viele gab es davon. Überall bekam man sie her. Was anderes machen, konnten sie nicht. Die jüngsten Bäume seine Feldes waren 80 Jahre alt, die älteren 250 und die der anderen Bauern noch älter. Um um die Runden zu kommen, verkauften sie Baumsetzlinge. Ein Teufelskreis, wenn man bedenkt, dass diese das Angebot an Oliven noch vergrößern. Traurig blickte der Bauer über sein Gestüt. Doch als sich der Blick mit Ritterin Lilou traf, zeigte sich ihr einzigartiges Lächeln. Ganz kurz und dennoch aus dem tiefen Inneren. Die Traurigkeit des Bauers verschwand und er war erneut voller Hoffnung, dass die Zeit schon etwas Gutes bringen wird.

Die Reisenden zogen weiter, weiterhin auf der Flucht vor Wind, Seuche und der Traurigkeit in diesem Land. Sie kamen in eine Stadt und hofften auf den Schutz der Gebäude. Doch der Wind fegte hier unbeirrt und gewaltig durch die Gassen. Kräftig und stark. Kein Mensch war hier und es wirkte als hätte der Wind alle davon getragen. Es hatte keinen Sinn und die drei zogen weiter.

Leeres einsames Ceglie Messapica

In die weiße Stadt, rief Ritterin Lilou. Dort müsste es Schutz geben, so hofften auch die Magd und der Knecht. Vor der Stadt hielten sie an, stellten ihr Lager auf. Ein nettes Plätzchen mit einer Aussicht über das gesamte Land. Die Olivenhaine und Dörfer der Region und in der Ferne auch ein Leuchtturm. Das Lager war fein und so wurden Schaukel und Hängematte aufgebaut. Aber der Wind spannte diese wie ein Segel.

Die Ritterin Lilou befahl auf die Kutsche umzurüsten. Es sollten Erkundigungen in der Stadt eingeholt werden. Also wurden die Pferde gesattelt und der Weg zu Stadt (Cisternino) aufgesucht. Ritterin Lilou wollte diese Schandtat und Hoffnungslosigkeit nicht länger auf sich sitzen lassen. Sie hoffte auf die Menschen hier, auf ein Mittel gegen den Wind, Seuche und Traurigkeit. Sie kamen in die Stadt, die zu Recht den Titel weiße Stadt in diesem Märchen erhält. Weiß war sie von Kopf bis Fuß. Die Wände aller Häuser waren weiß gestrichen und der Boden war aus massiven weißen Steinplatten erbaut worden. Die Sonne blendete in dieser Stadt und es glitzerte der ehemalige Reichtum. Doch all der Glanz war verblasst in diesen Zeiten. Auch hier war keine Menschenseele zu sehen, die Trauer tief verwurzelt.

Das kann nicht wahr sein. Wie Getriebene waren sie gereist und hatte sie der Wind in die Knie gezwungen. Es reichte. Man hatte sich vor Regen und Sturm gefürchtet, doch war es der stetige Wind das Rauschen im Ohr, welche das anstrengende geworden war. Genug! Das dachte sich auch Ritterin Lilou. Und wie es sich für einen echten Ritter gehört, hatte auch sie die große Tapferkeit in sich. Sie stellte sich in die leere Straße. Mit kräftigen Schritten ging sie auf und ab und rief und sang. Alle Tapferkeit kam aus ihr raus. Was sie sagte, war nicht wichtig, konnte man sie nicht verstehen. Aber es steckte an. Die ersten Menschen, die sich zeigten, waren die Älteren. Sie hatten keine Angst mehr von der Seuche. Und als sie die Ritterin erblickten, lächelte diese auf eine kleine magische Weise. Das Lächeln sprang über und sie kamen näher. Und mit ihnen kamen die Jüngeren, interessiert an dem, was dort geschah. Die Ritterin winkte und lächelte und steckte alle an. Die Hoffnung kam wieder und mit ihr Leben in die Stadt. Die Geschäfte wurden geöffnet, Häuser repariert und gestrichen und vorbereitet für das Leben, das nun wieder einkehren darf.

Die Leute riefen Bellisima und Ragazza, was so viel bedeutet wie Hoch soll sie leben, die Ritterin Lilou! Und die Hoffnung breitet sich aus wie der Wind, der mit ihr verschwand. Überall begannen die Leute zu renovieren und sich auf den Plätzen zu versammeln. Und während die Ritterin sich von ihren Taten erholte, konnte die Magd am Abend an den Hafen und mit einem kleinen Umtrunk das rege Treiben beobachten. Eine ganz neue Welt machte sich auf. Fein, das die Leute nicht aufgegeben haben und das Leben wieder einkehrt. Ob es wirklich die Ritterin Lilou war, ich weiß es nicht. Aber das es die vielen lächelnden Momente der Reisenden und unzähligen anderen Menschen in diesem Land war, davon bin ich überzeugt. Und wenn sie das Gefährt noch weiterhin trägt, dann reisen die Drei noch weiter.

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