Sibiu, Sighişoara, Städtebau

Der Herbst schickt seine ersten Boten und wir steuern entgegen mit ein wenig Kultur, Städteschau und Wein. Dabei werden wir überrascht und treffen die ersten Pappegroßbauprojekte…

Kaum sind wir der Transfāgārāsan entkommen ohne von den Bären gefressen und den Wanderwegen aufgezehrt zu sein, da steigen die Temperaturen und schwinden unsere Vorräte. Nach einigen Tagen in der Kälte genießen wir die Sonnenstrahlen und Temperaturen über 20 Grad. Das wird sogleich mit einer langersehnten Dusche am Morgen gefeiert. Das Wasser ist zwar noch nicht warm, aber ohne Wind und mit der angenehmen Luft ein unbeschreibliches Luxusgefühl. Damit werden die letzten Spuren der Wanderung entfernt und wir starten mit einem frischen Gefühl in die nächste große Stadt – Sibiu. Sibiu soll sehr schön sein und mit einem alten Stadtkern auch einiges an Geschichte haben. Wir gehen einkaufen und fahren dann zum nächsten Parkplatz. Der ist nicht besonders schön, mitten zwischen den Feldern und es fällt uns nicht ein, wie wir hier dem Nachmittag herum bringen könnten. Also setzen wir uns wieder ins Auto und fahren in die Stadt, um uns schon mal etwas anzuschauen. Lilou genießt es zu laufen und den Leuten zu zuwinken. Deshalb schlendern wir ohne Richtung, Plan und Ziel in Sibius Stadtkern herum. Ein sehr alter Kern mit viel Geschichte, vielen Kirchen, alten Türmen, Mauerresten und Gebäude, die mich ein wenig an Wien erinnern. Sibiu ist eine stolze Stadt und sehr belebt. Neben den regulären Geschäften befinden sich viele provisorisch aufgebaute Stände zum Verkauf von hauptsächlich Plastikspielzeug, Souvenir und ich kann es nicht anders sagen Schrott. Oftmals hat es nichts mit der Stadt zu tun, aber irgendwer muss es kaufen, wenn es so viele davon gibt. In einer Strasse sind fünf Eisdielen direkt neben einander und das Eis sieht giftiger als das vorherige aus. Ich traue mich nicht davon zu probieren. Es ist auch nicht nötig, da die Stadt so schön ist und Lilou beim verfolgen der Wasserrinne die ganze Aufmerksamkeit benötigt. Immer wieder bleiben Leute stehen, lächeln sie an und sagen uns etwas auf rumänisch. Als wir den ersten größeren Platz erreichen, entdecken wir etwas, was uns ein wenig das Herz höher schlagen lässt. Ein riesiges Abbild der nächstgelegenen Kirche ragt auf den Platz hervor. Für uns sofort erkennbar aus Pappkarton. Sogleich gehen wir hin und klopfen dagegen, pure Pappe. Und es ist höher als die umliegenden Gebäude. Eine tolle Konstruktion und wir lassen uns von den unten stehenden Guides erklären, dass es sich um ein Kunstwerk der Gruppe … Handelt. Die stellen Monumente mit Pappe nach, um sie für eins zwei Tage auszustellen. Danach wird alles zerstört. Wir bestaunen die Dachkonstruktion und Lilou klettert auf die Fensterbänke. Es ist stabil, aber an Karton zweifeln wir schon lange nicht mehr. Dennoch sind wir beeindruckt und verweilen eine Zeitlang, um jede Seite, sowie die Konstruktion zu bestaunen.

Anschließend geht es weiter und das nächste Highlight lässt nicht lange auf sich warten. Was ich von Weiten für einen Baukran hielt, stellt sich bei immer lauter werdender Musik als Lastenkran für eine Trapezkünstlertruppe heraus. Es sind Theatertage in Sibiu, der Kulturhauptstadt 2019, und viele Auftritte finden überall in der Stadt verteilt statt. Hauptsächlich abends, weshalb wir nun umso gespannter der Generalprobe zuschauen. Lilou wippt zur Musik und bestaunt mit großen Augen die fliegenden Künstler. Hoch und runter schwingen sie und mit fließenden Bewegungen gleiten sie durch die Luft. Lilou ist so begeistert, dass sie nach der Show direkt über die Balustrade klettern möchte, um es auch einmal auszuprobieren. Wir können sie nur schwer weg bewegen, um uns noch etwas anzuschauen. Sibiu gefällt mir ausgesprochen gut und ich kann mich der Entscheidung es als Sehenswert zu bewerten nur anschließen. Wir überlegen sogar, am nächsten Tag noch einmal hinzufahren. Aber das Wetter wird düster und es drohen Regenschauer, weshalb wir statt in die Stadt in den Zoo am Rande gehen. Lilou liebt Tiere und ein paar Außergewöhnliche zu sehen, denken wir uns, könnte ein Erlebnis sein. 3 Lei kostet es für uns Erwachsene, was ungefähr 60 Cent sind. Kein Preis für einen Zoo und drinnen erklärt sich ein wenig warum. Er ist nicht groß und die Käfige meist kahle Räume, die mit Fototapeten ausgekleidet sind. Die Tapeten stellen Dschungel, Wälder und Blätterdacher da und kleben kaum in geraden Bahnen über dem Beton. Es wirkt traurig und so sind wir vermehrt bei den Außengehegen, die ein wenig mehr Abwechslung bieten. Es gibt einen Wolf, Kamel, weißen Tiger und zwei Bären. Die beeindrucken uns kaum, da die Wilden in der unmittelbaren Nähe uns noch sehr vor Augen sind. Dennoch genießt Lilou den Spaziergang, Spielplatz und vor allem das Krokodil, bevor es wieder ins Auto geht. Das nächste Ziel steht schon lange fest, wurde nun gegen Ende schon sehnlichst erwartet und wir freuen uns, als wir die Tore erreichen, die Zufahrt hochfahren und der Blick auf die Villa Vinèa fällt.

Die Villa Vinèa ist ein Weingut in Rumänien, das Verwandten gehört und wir die obere Wohnung als Unterschlupf nutzen dürfen. Oben auf ein Hang mit Blick über die Weinreben und nahegelegenen Dörfer erhebt sich der turmähnliche Anbau. Die Auffahrt wird begleitet von Wein und Obstbäumen, die gerade jetzt ihre Früchte tragen. Bei der ersten Erkundungstour werden sogleich einige Ringlotten aufgezerrt und der süße Saft aufgesaugt. Lilou bekommt wie ich nicht genug. Natürlich nutzen wir zuerst die warme windfreie und unerschöpfliche Dusche und Lilou das große Bett als Trampolin. Die Lebensmittel werden in den Kühlschrank verfrachtet und das Auto so geparkt, dass wir es als Küche nutzen können. Die Wohnung ist spartanisch und bietet zwar viel Platz, aber außer Bett, Bad und Kühlschrank keine weiteren Möbel. Wir nehmen einfach unser Sofa aus dem Auto und richten uns gemütlich ein. Wir haben ja alles dabei. Der Platz gefällt Lilou und so rennt sie in der Wohnung rum und tanzt, während draußen der Regen fällt. Unten geht es geschäftig zu, die Reben werden bearbeitet, der Weinkeller gefüllt und im Laden Kundschaft und Interessierte betreut. Natürlich kommen wir auch mal hinab, sagen Hallo und stoßen mit einem Schluck leckeren Wein an. Aber danach genießen wir den Luxus, Lilou ins Bett zu legen, die Türe zu schließen und in einem anderen Raum zu sein. Ganz alleine ein Raum für uns und das ist nach 5 Monaten echt ein riesen Luxus. Das Wetter bleibt verregnet und die Temperaturen konstant auf unter 20 Grad. Es ist echt frisch. Wir vertreiben uns die Zeit mit Waschen im Waschsalon, der eigentlich noch gar nicht eröffnet hat und schauen uns die alte Stadt Sighişoara an. Eine kleine Stadt mit alten Kern und vielen Kirchen. Sighişoara ist von den Sachsen geprägt und überall thronen deutsche Schilder, Beschreibungen und Wahrzeichen. Man könnte meinen, wir sind nicht mehr in Rumänien. Sogar die Leute reden Deutsch, ist aber nicht verwunderlich, da viele deutsche Touristen hier sind. 174 Treppenstufen geht es die Schülertreppe hinauf bis zur Schule, die im 15 Jh. erbaut und heute noch genutzt wird. Daneben ragen Kirchen und Bewachungstürme empor. Wir essen gut und Lilou schmeißt einen Teller zu Boden, ansonsten schlendern wir durch die Gassen. Es ist nicht groß und so kann man den Kern von Sighişoara in einer guten Stunde sehen. Es ist nett, aber nicht sehr auffällig und so bleibe ich bei der Meinung, das Sibiu die schönere Stadt gewesen ist.

Zurück auf dem Weingut, merken wir den Unterschied, nicht immer weiter sondern auch mal einen Weg zurück zu fahren. Es ist ein merklicher Unterschied eine feste Anlaufstelle zu haben, statt stetig mit dem eigenen Wohnzimmer weiter zu fahren. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum wir nicht ewig bleiben. Es zieht schon wieder. Wir räumen auf, putzen das Auto und sammeln nochmals Blüten und Sand vom Strand und packen zusammen. Natürlich nicht ohne uns das ganze Weingut zeigen und erklären zu lassen, wie der Wein hergestellt und produziert wird. Viele Schritte mit Trennung, Presse und Gärung in verschiedenen Behältern und Fässern sind nötig, bis der Wein in einer Maschine abgefüllt und etikettiert wird. Am Ende öffnen wir eine Flasche und trinken sie mit Michi, dem Kellermeister. Wir sagen Ciao und Danke! Und sammeln noch ein wenig Obst, dann geht es weiter.

Weiter den nächsten Plänen entgegen und dem Wetter auf der Flucht. Es schüttet als wir starten und der Regen soll eine Woche anhalten. Wir merken erneut die Zeit und den kommenden Herbst. Wir müssen langsam in wärmere Gebiete. Auf durch Ungarn, Österreich, Deutschland, Frankreich nach Spanien!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.