Wir reißen das Steuer wieder an uns und steuern Backbord voraus. Eine Flucht nach vorne in die Kühle der bulgarischen Berge. Doch auch sie halten Überraschungen für uns bereit und kann von Ruhe nicht die Rede sein.
Starten wir mit dem Ende und berichten wie die letzten Tage in Griechenland gewesen sind. Griechenland war das Land, welches unsere bisherige Statistik am meisten ins Wanken gebracht hat. Alles ist ein wenig ausgeufert und mit den höheren Kosten haben wir mein insgeheimes Ziel maximal 30 Euro pro Tag auszugeben, um einiges hinter uns gelassen. Mit Urlaub und zweimal sehr teurer Fähre, sowie vielen Kilometern und dabei teurer Sprit und Autobahn war das aber auch nicht anders zu erwarten. Die Autobahn hat mich am meisten gestört. Überall stehen völlig planlos Mautstationen rum. Im Süden und in der Mitte Griechenlands verlangen sie einen viel zu großen Beitrag, der einfach gewürfelt zu sein scheint. Es geht nicht nach Kilometer und auch die Einteilung in Pkw, Bus und Lkw ändert sich ständig. Mal ist die Höhe entscheidend, dann die Form oder der Würfel. Wir haben Glück und müssen meist nur die PKW-Maut zahlen, obwohl wir die 2,5m Höhe überschreiten. Dennoch ist es teuer und wir zahlen bei einer 2h Strecke 35 Euro.

Insgesamt geben wir 1.646,42 € aus, was bei 26 Tagen 63,32 € pro Tag entspricht. Also das doppelte aller anderen besuchten Länder und so sind wir nun insgesamt bei 38,03 € pro Tag. Alleine Essen liegt mit 25,41 € pro Tag 9 Euro mehr als in Italien. Wir gehen einfach zu oft essen, auch am Ende, weil neben dem Gas auch noch der Campingkocher ausgeht. Es gibt auch keine Nachfüllkartuschen zu kaufen, weil Griechenland sein eigenes Anschlusssystem hat. Wir bräuchten also auch einen neuen Kocher. Demnach Essen gehen und so schnell wie möglich nach Bulgarien. Dafür legen wir Strecke zurück 2.327 km fahren wir in Griechenland und schaffen damit 90 km pro Tag. Sonst waren es maximal 70 km.
Neben den hohen Kosten, der Hitze und Probleme war Griechenland fein, aber definitiv nicht das schönste Land. Es ist trocken und wirkt landschaftlich nicht so mächtig, schön und eindrucksvoll wie die Nachbarn Albanien, Nordmazedonien und Bulgarien. Das lag sicherlich auch an der Jahreszeit, in der wir es nun bereisten. Aber wir haben die Vielfalt vermisst und freuen uns gerade in Bulgarien zwischen allen Nadelbäumen die ersten Birken zu entdecken. Das Meer in Griechenland und die Strände waren natürlich traumhaft, warm und mit Sand und klaren Wasser wie aus dem Katalog. Delphine, Meeresschildkröte und die vielen farbfrohen Fische beim Schnorcheln und Tauchen waren unbeschreiblich. Somit hat uns das Wasser Griechenlands besser gefallen als das Land. Und das nächste Mal nehmen wir eine zweite Ersatzgasflasche mit, um die selbstgemachten Probleme der Griechen zu vermeiden. Auch deshalb freuen wir uns auf Bulgarien.
Eigentlich wollten wir noch an die schönsten Strände Griechenlands. Viel haben wir von anderen gehört und auch Andreas aus Athen empfiehlt sie uns. Wir fahren in ihre Richtung von Strand zu Strand, um im Wasser die Abkühlung zu genießen. Doch Abends wenn kein Wind geht, fällt es uns allen dreien schwer einzuschlafen. Außerdem nervt es mit dem Campingkocher zu kochen. Deshalb ziehen wir die Reißleine, reißen das Steuer um und beschließen auf schnellsten Wege nach Bulgarien zu fahren. Gewöhnlich fahren wir maximal 2h mit Lilou Auto. Jetzt machen wir eine Strecke von 4,5 h in zwei Etappen morgens und nachmittags und Lilou macht super mit. Beide Male schläft sie und wir hören das nächste Hörspiel fertig. Wir stehen vor der letzten Stadt an der Grenze und schlafen direkt neben der Autobahn an einer Kapelle. Man hält es nur im Schatten aus und wir duschen uns ausgiebig den Schweiß ab. Am nächsten Morgen geht es direkt in die Stadt auf der Suche nach Frühstück und einer Möglichkeit für einen Corona-Schnelltest, um über die Grenze zu kommen. Es ist das erste Mal, dass ich vorher im Internet nach etwas suche. Zwei Labore soll es geben, aber ihre Adressen kann ich nicht auf der Karte finden. Ich befürchte schon, dass es sie nicht gibt und ein Test heute nicht zu holen ist. Auch die erste Apotheke sagt, dass sie keine machen und man einen Arzt fragen soll. Doch der Bäcker gibt uns den Hinweis für das Labor und wir finden es. Das Internet und die digitale Welt hat keine Chance gegen die Mund-zu-Mund-Übertragung. Ich muss mich geschlagen geben. Wir warten in einem Treppenhaus bis wir in die Praxis / Labor eingelassen werden. Der Warteraum ist auch Behandlungszimmer und eingerichtet wie ein Wohnzimmer. Ledermöbel bestehend aus zwei Sofas und zwei Sesseln bieten den Patienten gemütlich Platz. Ein Fernseher auf einem Sideboard und ein Couchtisch mit Schokolade lädt zum Verweilen ein. Das sonst überall Bilder der Familie von verschiedenen Hochzeiten, Enkelkindern und ähnliches in barockänhlichen Bilderrahmen herumhängt wirkt auf uns eher verwirrend. Irgendwie unpassend für eine Arztpraxis. Und genauso fühlt sich auch der Test an. Kaum berührt das Stäbchen die Nase, da ist es auch schon vorbei. Negativ. Wie kann es anders sein?
Also geht es zur Grenze und dort nach einem zähen Stau an die erste Tankstelle. Wir fahren schon auf Reserve, zahlen hier aber nur die Hälfte. Als wir dann aber weiter fahren wollen, taucht eine Strassensperre auf. Der Umweg laut Navigation über 30 Minuten. Oh man, nicht ernsthaft.

Dann besinnen wir uns darauf, das wir in Bulgarien sind. Winken einem entgegenkommenden Autofahrer zu und er nickt und schüttelt die Hand. Also missachten wir das Schild und fahren weiter. Die Straße wird zwar einspurig aber Durchkommen ist gar kein Problem. Einfach nicht zu spießig sein. Danach kommt noch eine Tankstelle und wir können endlich ohne Probleme unser Gas auffüllen. Wir sind endlich wieder unabhängig. Wir kaufen direkt groß ein und verschwinden in die Berge Bulgariens in mitten der Wälder. Ist das fein, wenn alles wieder läuft. Die Temperaturen sind unter 30 Grad und nachts unter 20 Grad, fast frisch. Wir schließen wieder alle Türen und schlafen tief und fest.
Wir folgen den erfrischenden Bergen und bleiben im Süden Bulgariens. Die Idee in die Werkstatt zu fahren und uns eine Standheizung einbauen zu lassen, müssen wir leider verwerfen. Unsere Freunde dort sind in Betriebsurlaub und das noch eine Weile. Wir sind ein wenig enttäuscht und hatten uns eigentlich schon darauf gefreut. Aber es soll eben nicht sein. Also fahren wir weiter, kreuzen das Dorf und gelangen an das Ende der Route bevor wir vor 4 Wochen nach Griechenland abgebogen sind. Jetzt geht es wieder weiter. Unser Ziel ist ein Platz an dem es sogar Renntiere zu bestaunen geben soll. Es sind überall Schilder mit Silhouetten von Elchen oder Hirschen abgebildet. Ein Plakat mit einem Renntier und einem kleinen Mädchen mit langen blonden Zöpfen und roter Jacke heißen uns willkommen. Meet Rudolph steht darauf und es wirkt zuerst sehr kitschig, aber als wir erfahren daß es ein Schnappschuss des Eigentümers mit seiner Tochter ist, ist es ganz nett. Das Gelände gehört einen professionellen Tiertransporter, welcher ein Ort für Familien geschaffen hat. Eine kleine Wiese mit einigen Zelten zeigt, das man übernachten kann. Daneben steht ein großes Trampolin. Es gibt ein kleines Holzhäuschen mit Terrasse, welches als Restaurant dient. Und im angrenzenden Wald sind Hängematten und Spiele für Kinder aufgebaut. Aktuell befinden sich einige Kinder hier und feiern Geburtstag. Wir fragen nach den Renntieren und der nette Eigentümer erklärt uns im guten Englisch die traurige Geschichte. Er berichtet davon, dass ihn viele Menschen besuchen und sich an den Tieren erfreuen. Aber vor einigen Jahren hatte ihm jemand die Tiere vergiftet. Er war optimistisch geblieben und hat Rudolph und zwei weitere Tiere bekommen. Doch nun leider ist es ein weiteres Mal passiert. Alle Tiere vergiftet und er hat einen Privatdetektiv beauftragt den Schuldigen zu finden. Er hat einen Verdacht, im Dorf gibt es jemand, der seine Tiere hasst. Er meinte, dass er 10 Tage nicht schlafen konnte, bis er es seinen Kindern sagen konnte. Die Geweihe hat er aufgehoben, um an die stolzen Tiere zu erinnern. Jetzt hat er seit 2 Monaten schottische Hochlandrinder mit langen Haaren. Und ein Reh, welches ausgesetzt und verstoßen war und er deshalb in seiner Obhut hat. Es ist ganz zutraulich und Lilou kann es sogar streicheln.

Bleiben dürfen wir leider nicht. Der Eigentümer würde uns gerne übernachten lassen, aber er meint, dass nicht alle so denken wie er. Aktuell ist er voll mit den Kindercamps und ein paar Eltern sind wegen Corona nicht ganz so gut drauf. Bevor wir Probleme machen, fahren wir weiter und kommen in den nächsten kräftigen Regenguss. Also kuscheln wir uns nach hinten und genießen die Dreisamkeit. Wir fahren weiter, um dann endlich Mal wieder zwei Nächte am Stück am einem Ort zu bleiben. Direkt am Waldabschnitt. Doch unsere Idee diesen mit einer Wanderung zu erkunden, verwerfen wir am nächsten Tag sehr schnell. Abwechselnd schlafen wir und bleiben den Tag über faul. Es ist ein wenig herbstlich und so genießen wir die wenigen Sonnenstrahlen und bleiben ansonsten in unseren gemütlichen Pullovern. Ein wenig Rast tut so gut und ganz allmählich füllen sich die Batterien nach der ganzen Odyssee wieder auf.
Dennoch bleiben wir nicht stehen, so kühl war auch nicht gewünscht. Wir fahren wieder ein wenig hinab ins Tal und erhalten die gewünschten Temperaturen mit 28 Grad. An einem Flusslauf finden wir ein super Plätzchen. Fast schon ein Platz der Kategorie 1. Eine breite Ebene bietet uns viel Platz zum Stehen. Zwischen dem Bus und dem Fluss liegen Sanddünen und genug für einige Sandbauten mit Lilou. Der Fluss erstreckt sich schlangenförmig in der Ebene und biegt vor uns ab mit dem Hintergrund eines wunderschönen Bergpanoramas. Als wäre dies nicht genug greisen über die schroffen Bergspitzen Könige der Luft und ziehen ihre Kreise über dem gesamten Gebiet. Geier in ihrer Mächtigkeit, segeln mit großen Schwingen. Lilou ist die erste im Wasser und wir genießen den Tag mit Sonne, Sand, Wasser und Ruhe. Aber auch hier sind wir vor Überraschungen nicht sicher. Am Nachmittag kommen die ersten anderen Autos und bauen Zelte am Wegesrand auf. Am Abend sind es drei Pavilloons, mehrere Zelte, Hängematten und ein lauter Generator. Das Bier wird im Fluss kalt gestellt und Lagerfeuer entzündet. Mit großen Lautsprechern wird Technomusik wiedergegeben. Es ist Freitag und die Bulgaren und Feierlaune. So rutscht der Platz die Kategorien runter und so gerne ich geblieben wäre, ich bin sicher wir fahren morgen weiter.