Drum Bun

31 Tage Rumänien und es heißt erneut Koffer packen und eine Grenze überwinden, um in das nächste Land einzutauchen. Auf Wiedersehen mit Herbstgefühlen.

Der Regen der Villa Vinèa bleibt an unserem Auto heften und die Temperaturen lassen nicht ahnen, das es August ist. Wir fahren durch nebelige und nasse Gebiete. Man kann sich kaum vorstellen, das wir bei über 40 Grad Anfang des Monats in Rumänien angekommen und deshalb sogleich in die Karpaten geflüchtet sind. Nun merken wir erneut ein Fluchtgefühl und deuten das Wetter als Zeichen, das wir aufbrechen sollen. Sarah hat einen super schönen Platz in einem Nationalpark gefunden. Es ist der letzte längere Stop, den wir geplant hatten. Einfach nochmal rumänische Natur genießen und im weiten Wald wandern gehen. Der Platz ist super mit Bach, Hängematte, Lagerfeuer, großer Wiese und kleiner wackeligen Fussgängerhängebrücke. Ein Traumort. Aber es sind 12 Grad, nachts noch kälter und die Wolken entleeren sich die halbe Nacht. Alles ist nass, schlammig und wir frieren. Es wird Zeit Rumänien zu verlassen, die Zeichen sind eindeutig.

Mit nassen Schuhen und matschigen Hosen geht es in das Auto. Abfahrt der Grenze entgegen, die in unserem Rythmus zwei Tage, also eine Nacht entfernt ist. Der nächste Spot ist in entweder 2:30 oder 2 h zu erreichen. Wir nehmen die kürzere Strecke und folgen dem Weg den Hügel hinauf. Es vergeht eine Weile, da wird der Weg ungeterrt und besteht aus Schotter. Die Navigation sagt Verzögerungen voraus und wir schieben es auf die Wegbeschaffenheit. Trotzdem weiter, beschließen wir. Große und kleine Löcher befinden sich auf dem Weg und nehmen stetig zu. Auch kann man von Glück reden, wenn Schotter den Großteil der Straße ausmacht. Oft ist es nur noch Erde und ein Gemisch aus Holz und Gras. Ein typischer Forstweg, der aber bei dem Dauerregen der letzten Tage zu einer schlammigen Rutsche geworden ist. Wir zögern kurz. Doch lieber umdrehen und den anderen Weg fahren? Ach nein, wir glauben an unser Auto und ich an Sarah. Wir sehen keine anderen Autos und der Weg zieht sich. Lilou und ich schaukeln hin und her. Sie kann nicht einschlafen, zu heftig ist das Gepolter. Dann bleibt Sarah stehen. Eine riesige Pfütze, fast schon ein kleiner Teich ragt von einem Straßenrand zum anderen. Daneben sind auf dem feuchten Waldboden Spuren von Autoreifen zu sehen. Eindeutig andere Fahrer, die bereits diese Stelle umfahren haben. Sarah fragt, ob wir umdrehen sollen, ich zeige auf die Umfahrung und sage noch nur mit ordentlich Gas rüber fahren. Sarah tritt in die Pedale, zielt auf die Umfahrung, das Auto schlittert, wir rutschen, es holpert und Stop. Nichts mehr. Sarah gibt Gas und der Matsch spritz die Scheibe hinauf. Die Räder drehen durch. Wir stecken fest!

Sarah flucht, die Knie zittern und ich ziehe mir erstmal die Schuhe an. Kaum ist die Tür offen, zeigt sich ein riesiges Schlammbad und nur mit einem großes Satz versinke ich nicht sofort im Morast. Auf der Beifahrerseite sieht es gar nicht so schlimm aus, aber auf der anderen umschließt das Schlamm- und Matschgemisch die Autoreifen, das sie kaum mehr zu sehen sind. Ich stelle mich an die Vorderseite, die Hände an der Motorhaube und versuche zu schieben, während Sarah Gas gibt. Das Auto bewegt sich, aber nur um sogleich wieder in die ursprünglichen Position zurück zu springen und dabei noch ein wenig tiefer zu versinken. Sarah flucht erneut, ich bin noch ruhig und zuversichtlich. Mein Blick schweift über die Umgebung auf der Suche nach geeigneten Steinen, Hölzern oder sogar Brettern, damit wir aus diesem Schlammbad verschwinden können. Noch während ich schaue, fährt von hinten ein Auto an. Ein Mann mit seiner Tochter. Ohne viele Worte legen sie beide mit mir vorne Hand an. In wellenartigen Schüben drücken wir das Auto in eine rückwärts Richtung während Sarah Gas gibt. Der Schlamm spritzt und bespritzt das Auto und die Helfer, aber raus will es nicht. Es fühlte sich aber ganz gut an. Noch ein Versuch. Und hau ruck nochmal und wieder mit mehreren Pushartigen Schüben merkt man wie das Auto ganz langsam die Hürde überwindet. Es greift und rollt und fährt zurück, während der Schlamm in alle Richtungen fliegt. Jippy! Helfer im richtigen Moment. Sie lachen und fragen, ob wir es durch die teichähnliche Pfütze probiert haben. Wir schütteln den Kopf und ein Test mit einem Ast zeigt, dass es gar kein Problem gewesen wäre. Wir waren einfach nur zu faul, um vorher auszusteigen…

Wir bedanken uns. Sie steigen ein und fahren vor. Ich setze mich mit tropfenden Schuhen zu Sarah. Sie gibt Gas, nichts passiert. Nein ruft Sarah und das Auto mit den Helfern ist bereits außer Sichtweite verschwunden. Ich steige wieder aus, schiebe erneut an und Sarah gibt Gas. Keine Bewegung. Dann macht es Klick, sie löst die Handbremse und das Auto fährt ohne Probleme weiter. Die Knie zittern. Erstmal runter kommen. Ganz langsam geht es durch die Pfütze, die das Auto ohne Probleme passiert. Aber wir sind uns einig, nun müssen wir durch. Kein Umkehren mehr. Die Straße bleibt abenteuerlich und wir holen die Helfer nach ein paar Kurven ein. Sie kriechen auch den Pfad hinauf und wir freuen uns, das jemand vor fährt. Selbst im Navi scheint der Pfad kein Ende zu nehmen und so schwingen wir auf und ab, bis vor uns nur noch Matsch zu sehen ist. Vielleicht wären wir nicht durch gefahren, wenn wir nicht gewusst hätten, dass die anderen es auch geschafft haben. Sie kennen den Weg auch nicht und es gibt das stille Abkommen, dies nun gemeinsam zu bewältigen oder sich gegenseitig zu helfen. Sarah schaut mich nochmal an, ich nicke und sie gibt Gas. Aqua Planing in einem 30 Meter Matschabschnitt. Der Wagen hält kaum eine gerade Bahn und Sarah umschließt das Lenkrad bis die Knöchel weiß hervor treten. Wir schlittern, wir rutschen und wir kommen rüber. Ohne Schaden, ohne Zweifel aber mit sehr viel Adrenalin. Hoffentlich war es das nun und wir lachen beide. An der nächsten Ecke warten unsere Gefährten. Sie wollen das wir vor fahren, bewundern unseren Mut und man sieht an ihren blasen Gesichtern, dass ihnen die Straße auch nicht geheuer ist. Aber das Schlimmste ist geschafft und nach ein paar holprigen aber steinigen Kurven gelangen wir auf die Teerstraße zurück. Wir halten an, kurbeln die Fenster runter und jubeln mit den anderen. Alle sind erleichtert. Wie fein sich doch eine ebene und Schlaglochfreie Straße anfühlt!

Wir kommen bei unserem letzten rumänischen Spot an. Hier ist es wärmer, doch der Regen besucht uns erneut die halbe Nacht. Deshalb fällt es uns nicht schwer am nächsten Tag nach dem letzten Einkauf und Loswerden der letzten Lei Richtung Grenze zu fahren. Auf nach Ungarn, obwohl wir lieber in die Slowakei gefahren wären. Aber hier müssten wir in Quarantäne oder Geimpft sein. Ein Test reicht nicht und so geht es nach Ungarn. Die Grenze und der Einlass ist so leicht wie der Eintritt nach Rumänien. Unsere Ladung wird kontrolliert und dann eine schöne Fahrt und Aufenthalt gewünscht. Keine Frage was wir hier wollen und wo der Covid-Test ist. Somit waren wir 31 Tage in Rumänien und sind dabei 1.821 km gefahren. Damit steigt unsere Spende um 182,1 € und ist nun insgesamt bei 1.075 €. In Rumänien sind wir wieder auf unser Niveau von Italien zurück gekommen und haben täglich 30,40€ ausgegeben. Davon waren 15,35 € Essen und 51 Cent Eis. Wir haben auch durch unseren Hüttenaufenthalt wieder Geld fürs Schlafen ausgegeben, aber die 20,33 € waren es definitiv Wert. Dabei haben wir in Rumänien so lange wie in keinem anderen Land an Plätzen wie Bran gestanden. Rumänien ist ein Camperfreundliches Land. Wie in Bulgarien machen es die Rumänen selber. Aber was sie noch lieber machen ist grillen. Überall sind offene Grillplätze, die auch bei Regen genutzt werden. An sich wirken die Rumänen nicht ganz so freundlich wie in Bulgarien und Albanien, aber wenn man sie anspricht sind sie sehr hilfsbereit und gesprächsfreudig. Die vielen kleinen Dörfer heben sich sehr vom Rest des Balkans ab. Meist gibt es eine geschlossene Front auf beiden Seiten, die durch die Häuser und Mauern, sowie massiven Zäunen, die dazwischen liegen, aufgebaut ist. So wirkt jeder Ort wie ein enger Verbund und sind Nebenstraßen nur durch große Tore in den Mauern erreichbar. Die Architektur ist geprägt von metallenen Dächern, entweder durch flache Platten oder in Form von Dachziegeln. OSB-Platten zum Ausbau sind viel genutzt und gut sichtbar, da die meisten Häuser nicht verputzt sind, sondern ihre Stein- und Holzstrukturen gut erkennbar sind. Besonders gefallen haben mir in Transilvanien, die älteren sehr verzierten Gebäude. Die Holzsäulen sind mit verschlungenen Verzierungen gezeichnet und runde Bogen und ausgefallene Formen definieren die Fenster. Dazu kommen verschiedene Farben auf der Fassade und Muster im Putz. Jedes Haus wirkt ein wenig wie ein düsteres Kunstwerk, welches in die Dracula Legende passt. In den restlichen Gebieten erinnern die Gebäude oftmals an kleine Paläste, da es si scheint, dass die Rumänen auf Ercker und Türmchen stehen. Auch Einfamilienhäuser werden damit ausgestattet und so wirken manche Hügel als Palastmessegelände. Das ist auch deshalb manchmal absurd, da ich hier Armut, Bettlerei und herunter gekommende Viertel am meisten gesehen habe. Immer wieder wird man vor dem Supermarkt angesprochen und viele Kutschen fahren auf der Straße. Eine zweite Klasse ist klar spürbar, da die armen Menschen von ihren Mitmenschen schlecht behandelt werden. Kein Mitleid zu haben, ist oft schwer. Insgesamt war Rumänien aber sehr schön und empfehlenswert für eine Reise. Der Balkan hat mich sehr überrascht. War ich voller Vorurteile und schlechten Gefühlen, muss ich zugeben, dass sie alle falsch und unrecht waren. Die Länder waren wunderschön und besonders Bulgarien ist für eine solche Reise ideal. Albanien ist das freundlichste Land und Nordmazedonien aufgrund seiner großen Nachbarn leider im Schatten seiner eigenen Reichtümer. Der Balkan war wunderbar und ich bin mir sicher, es war nicht das letzte Mal, das ich hier gewesen bin. Danke, für das Umpolen meiner Vorurteile und das Öffnen neuer Erkenntnisse für mich und auch über mich. So schauen wir mit einem schmerzenden Herzen auf die Zeit im Balkan zurück und passieren die Grenze, freuen uns und sagen Drum Bun – Auf Wiedersehen.

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