Der südlichste Punkt Spaniens bringt Sommer in den November und eiskaltes Wasser. Dabei sind die Weihnachtsvorbereitungen bereits im um Gang. Dennoch heißt es entdecken und Krake und Mondfisch Guten Tag sagen!
Nach Sevilla sind wir ein wenig müde und positiv satt vom Städtetrip. Da kommt Cadiz gerade Recht. Beziehungsweise die Bucht genau gegenüber davon. Hier liegt neben einem feinen Sandstrand am Meer ein größerer Parkplatz mit Baum und Ebene und lädt zum Verweilen ein. Die Sonne strahlt und schenkt uns feine windfreie Temperaturen bis 24 Grad. Fast schon zu warm ohne Lüftchen. Neben dem Strand geht eine Promenade die Küste entlang. Hinter der Promenade Ferienhäuser, Restaurants und Wohnhäuser in der ersten Reihe wie Schaubuden. Eine reine Fassade, welche bereits in der zweiten Reihe mit Ruinen und ewigen Rohbauten drastisch an Glanz verliert. Die Restaurants mit großem Terrassen sind gut besucht und man spürt das Wochenende. Am Strand verläuft es sich und wir beobachten Jugendliche, die einen großen Gymnastikball im Sand vergraben haben. Halb schaut er am Hang heraus und sie nehmen Anlauf, springen darauf und üben Salti und andere Kunststücke, welche oftmals in Parcourähnlichen Abläufen absolviert und beendet werden. Wenige Meter davon direkt in den ersten Wellen findet gerade ein privates Fotoshooting statt. Zwei Frauen reckeln sich oben ohne in den Wellen und am Strand und fotografieren den kompletten Speicher voll. Immer wieder springen die Hunde der vielen Spaziergänger dazwischen. Lilou interessieren die Springer mehr und sie versucht sich auch, indem sie springt oder die Düne hinterrutscht. Irgendwann darf sie auch mal auf den Ball und freut sich tierisch über den Applaus, den ihr Sprung hervorbringt.
Anschließend gibt es ein Eis an der Promenade. Es zeichnet sich als echt Italienisch aus. Es schmeckt gut, aber italienisch ist es nicht. Lilou will dennoch nach dem Becher mit Erdbeere und Sternenstreusel direkt wieder in den Laden und das Nächste holen. Es ist auch herrlich hier, ganz sommerlich warm und der Ort wirkt, als wäre es okay hier zu stehen. Also entscheiden wir hier zu bleiben. Warum die Küste entlang hetzen un auf die Kälte zu? Lieber hier bleiben und verweilen, auch wenn das bedeutet irgendwann schneller über die Autobahn zu flitzen. Am 26. November wollen wir in Valencia sein. Also bleiben wir, legen einen Strandtag ein und spielen im Sand, essen Eis und probieren auch das Meer aus. Aber das ist anders als die Außentemperatur sehr sehr kalt. Also kurz Luft anhalten, rein und dann unter die kalte Dusche duschen. Wir genießen diesen Luxus, jeden Tag können wir relativ windfrei Duschen mit unendlich Wasser, allerdings mit den zahlreichen Blicken der anderen Touristen. Hier geht eigentlich keiner mehr ins Wasser. Sarah bringt das aber auf eine Idee. Warum nicht hier noch versuchen einen Tauchschein zu machen. Sie hat bereits schon lange einen, aber ich bin nach meinem Schnuppertauchgang auf Skiathos ein wenig angefixt. Am Schwarzen Meer gab es dann aber eher keine Möglichkeiten und das Wassererlebnis soll nicht so berauschend gewesen sein. Also hier nochmal probieren? Ich bin eher skeptisch, da doch eigentlich schon alles zu hat. Winterpause. Aber Sarah fährt direkt ins nächste Hotel und holt sich die Nummer einer Tauchschule. Sie ruft am Sonntag Mittag an und am Abend steht der dreitägige Kurs, der am nächsten Morgen direkt startet…
Es stimmt auch einfach alles, das Wetter ist herrlich, der Platz trotz Nähe zur Zivilisation ideal und auch die Polizei sagt nichts. Ich bin mir sogar sicher, dass ein anderer Bus unten bereits länger dort steht. Hinten dran ist bereits zwischen den Bäumen versteckt einiges aufgebaut. Die Anwohner sagen uns, dass die Polizei eher schaut das uns nichts gestohlen wird. Nur essen sollen wir nicht draußen, das kann zu Strafen führen. Anschließend schenken sie uns frische Zitronen. Also essen wir nicht mehr draußen, ist es meist am Abend zu kalt dafür. So wird der Platz allerdings wieder ein Platz, an dem wir länger sind und sich doch nochmal die Dynamik ändert. Ich stehe morgens früh auf, ziehe mich an und versuche leise das Zuhause zu verlassen, um mit dem Fahrrad der Promenade und Pier entlang zum Hafen zu fahren, wo Juan mein Tauchlehrer auf mich wartet. Es geht direkt vorbei an einem Leuchtturm, welcher im morgendlichen Licht eine atemberaubende Kulisse bietet. Juan ist ein echter Spanier und alter Hase im Tauchgeschäft. Englisch, sagt er selbst, kann er ein wenig. Aber mehr als Hello und Nice job, geht gar nichts. Das macht die Sache zu einer Herausforderung, weil ich kein Spanisch spreche. Also sind am ersten Tag Sarah und Lilou dabei. Lilou spielt mit Golfbällen, malt, rennt um den Pool oder steckt ihre Füße hinein, während Juan mir die Geräte zeigt und Übungen erklärt und Sarah übersetzt. Es wird alles sehr schnell gemacht, aber nett und unkompliziert. Dann geht es hinein in die Neopren-Anzüge und Lilou bekommt sogar einen in ihrer Größe geschenkt. Wir steigen rein ins Wasser, und es fühlt sich kurzzeitig so an als durchbrechen wir eine Eisdecke. Es ist eiskalt und ich zittere zwischen den Übungen trotz des Anzuges. Im Wasser führen wir die einzelnen Übungen aus und trainieren die Handgriffe, welche im Notfall durchzuführen sind. Unter Wasser sind die Sprachschwierigkeiten vergessen, wir sprechen nur mit Handzeichen. Am Ende frieren wir beide und freuen uns auf die warme Dusche. Meine erste richtige Dusche mit warmen Wasser, Duschbrause und ohne Wind seit Frankreich.
Spezialität in Spanien und wird frisch gehobelt
Am nächsten Tag geht es dann getrennt von den Mädels von Cadiz nach Tarifa. Zwar liegt Cadiz am Meer, Juan sagt aber, das man dort nichts sieht. Also fahren wir 90 Minuten nach Tarifa, der südlichsten Stadt des europäischen Festlands mit dem südlichsten Punkt an dem sich der Atlantik und das Mittelmeer treffen. Eine Hochburg für Kite-, Wind- und andere Surfer. Und eben auch Tauchern. Die Fahrt ist ein wenig mühsam, versuchen wir mit Händen und Füssen ein wenig uns zu unterhalten, um am Ende aber einfach Musik zu hören. In Tarifa ist es windig und dadurch kalt. So zittere ich beim Einstieg ins Meer aufgrund der Temperaturen und auch vor Aufregung. Es geht über die Steine direkt in die Hälfte des Mittelmeeres. Kaum haben wir die Flossen und Brillen an geht es auch direkt runter. Unter Wasser verschwindet der Lärm des Windes und man spürt und hört vermehrt den Atem. Man wird ganz ruhig, während die Luftblasen nach oben steigen und der Blick über die Weite Tiefe schweift. So ganz kann ich mich aber nicht gleich darauf einlassen, es gilt den Druck auszugleichen und mit der Tarierjacke die richtige Einstellung zu finden, um zu sinken und dann im Wasser zu schweben. Immer wieder, den wir tauchen immer wieder weiter runter oder ein Stückchen hinauf der Küste entlang. 12 Meter geht es hinab, dicht über dem Boden den bewachsenen Felsen entlang. Es dauert nicht lange, da hat mich die Kulisse gefangen. Als ein Oktopus direkt an mir vorbei zischt und versucht vor mir zu fliehen, bin ich gefesselt. Das steigert sich sofort, als hinter dem Stein, der Zuflucht des Oktopuses, ein großer Schwarm Fische hervor schwimmt. Von oben und den Seiten umschwimmen sie ihn als Einheit, umgeben mich und schließen mich ein. Nicht als Fremdkörper, sondern als Wesen der Tiefe, als einer von ihnen. Wir schwimmen gemeinsam immer dicht an Juan und auf seine Zeichen achten ohne schnelle Bewegungen. Es gesellen sich weitere dazu, aber nicht nur von diesem Stamm sondern auch kleinere und größere. Juan zeigt um uns und es sieht beeindruckend aus, wie die Lichtstrahlen die Wasserdecke durchbrechen und den endlosen Raum mit Licht und Lichtstrahlen fluten, alles mit Fischen belebt, die im gleichmäßigen Hin und Her der Strömung trotzen.
Juan zeigt auf den Grund, auf eine Stelle an der eine Muschel liegt, die so groß ist wie meine offene Hand. Daneben leicht im Sand verbuddelt liegt ein Rochen. Mit einem leichten Stoß des Tauchlehrers hebt dieser majestätisch ab, entfaltet sich und zieht mit wenigen sanften Schwingungen von dannen. Ich bin in dieser Unterwasserwelt so aufgeregt wie ein kleines Kind. Die unendlicherscheinenden Möglichkeiten und neuen Lebewesen, geben mir die nötige Wärme dieses kalte Wasser völlig zu ignorieren. Gleichzeitig immer wieder die Luft kontrollieren, aus tarieren und die Umgebung beobachten. Wie die erste Autofahrt, nahezu überfordernd aber unbeschreiblich im Freiheitsgefühl. Da wird Juan hektisch und zeigt auf etwas weiter oben in der Ferne. Es ist etwas Großes. Ich denke erst an einen Babywal oder eine Seekuh. Wir beginnen beide schnell mit dem Flossen zu paddeln, um näher zu kommen. Zwischen all den Fischen bewegt sich das zwei Meter große Tier mit einer Ruhe, der zunehmend stärkeren Strömung trotzend sanft von uns weg. Wir kommen bis auf circa drei Meter heran. Genug um zu erkennen, daß dies ein Mondfisch ist.
Zurück bei Sarah und Lilou bin ich noch völlig hin und weg von dem Naturspektakel. Gleichzeitig aber noch ein wenig ausgekühlt, was sich beim Laufen über den warmen Sand mit Lilou am Spielplatz schnell ändert. Die beiden waren auf dem Markt und kräftig einkaufen. So hat Lilou nun einen neuen Pullover, natürlich mit einer Minnie Maus darauf und wir jede Menge Obst. Auf dem Weg zurück mit dem Rad, schläft Lilou ein und Sarah und ich gönne uns die Zeit und den Luxus, setzten uns an eine der Strandbars, trinken etwas, essen Nüsschen, genießen die Aussicht und das luxuriöse Sommergefühl im November.
Links Mittelmeer, Rechts Atlantik
Am nächsten Morgen geht es erneut nach Tarifa. Diesmal ist es noch windiger und Juan sagt so etwas wie, es könnte sein, dass wir nicht tauchen können. Ich bin sehr gespannt. Und tatsächlich bläst es uns fast von den Füssen als wir Aussteigen. Das Mittelmeer ist stürmisch, aber der Atlantik in Ordnung. Also geht es heute hier hinein. Und obwohl die beiden Wasser gleich sind, sich hier auch treffen, sehen Landschaft und Tiere unterschiedlich aus. Hier sind viel mehr Korallen mit kräftigeren Farben und Fische von anderer Statur als am Vortag. Der Tauchgang beeindruckt mich genauso sehr. Irgendwann gibt mir Juan einen kleinen Tintenfisch. Er versucht die ganze Zeit durch meine Hand zu schwimmen und saugt sich an ihr fest. Das fühlt sich eigenartig an, dann gibt er Tinte ab und ich lasse ihn ziehen. Er ist sehr schnell. Die Anzahl der Fische ist ein wenig kleiner, dafür sehen wir Oktopuse, Seespinnen, weiße und lila Seeigel, einen Seestern und Muscheln, die meinen gesamten Unterarm verdecken könnten. Den Wind hört man hier unten natürlich nicht, aber die Wellen sind deutlich zu spüren. Immer wieder wird man von ihnen erfasst und drei Meter vom ursprünglichen Platz getrieben, nur um zugleich wieder zurück zu schwingen. Ähnlich wie eine Schaukel und so halten wir uns entfernter von den Felsen, außer wir sind dicht am Boden. Diese zusätzliche Dimension ist herrlich und es fühlt sich an als würde man fliegen. So freudig bin ich, da stört es mich auch nicht, als mein Schlauch zur Tarierjacke kaputt geht. Direkt beim Einstieg habe ich es bemerkt, aber in zunehmender Tiefe und heute erreichen wir die 18 Meter, wird es schlimmer. Der Schlauch ist undicht und es treten Blasen aus. Ziemlich viele und so hält der Sauerstoffvorrat heute nicht so lange wie am Vortag. Das ist ein wenig schade, aber das Wasser auch sehr kalt. Also muss es so sein. Juan und ich führen noch die abschließenden Übungen durch und dann geht es raus. Der Wind hat zugenommen und trotz Anzug fühle ich Eiskristalle auf der Haut. Es ist verdammt kalt. Zum Glück kommen Sarah und Lilou in dem Moment als wir umgezogen sind. Sie sind uns gefolgt, wir fahren von hier aus weiter. Juan verabschiedet sich und ich bedanke mich für die tollen Tauchgänge. Nun sind wir zu dritt und die Dynamik ist wieder wie gewohnt, aber mit einer Menge neuer Geschichten und Erlebnisse! Was machen wir jetzt? Es gibt so Recht keinen Plan, weiter nach Valencia, wo wir am 26.11 sein wollen für eine Zirkusshow von Freunden. Also noch hier bleiben? Der Wind ist sehr stark, Lilou hält es nicht aus, sie mag das nicht. Der Strand ist voller Drachen und dahinter sieht man die Küste Marokkos. 12 km ist sie entfernt, man könnte rüber schwimmen und wäre auf einem anderen Kontinent. Auch deshalb ist hier ein großes Polizeiaufgebot, welches die Abreisenden von Tarifa durchsucht. Unser Blick schweift kurz herüber und dann steigen wir ein, geben Gas und fahren weiter. Nun geht es wieder Richtung Norden dem Mittelmeer entlang.