Abendsonne

Sommergefühle im November und Weihnachtsschmuck als Gegenpol. Die Tage werden kürzer, die Sonne wärmer und der Gedanke an den Heimweg rückt näher. Und so geht es zurück und wir verlassen Portugal, aber erstmalig ohne ein neues Land zu entdecken.

Wir sind wieder zusammen und die Oma ist wohlbehalten nach Hause gekommen. Mit ihr sind die Wolken und der Regen geflogen. Dadurch gibt es ab Mittags Kurze Hose und sommerliche Temperaturen. Wir packen die Sonnenbrillen aus und genießen den späten Sommer direkt am Meer. Von Strand zu Strand dem Meer entlang. Doch ist es windig und abends sowie in der Nacht echt frisch. Sobald die Sonne weg ist, ist der Sommer vorbei und man muss sich schnell umziehen damit man keine Erkältung bekommt. Leider ist auch hier der “Winter” angekommen und so verschwindet die Sonne spätestens um 18 Uhr. Danach ist Buszeit angesagt. Hier hält man es aus.

Wie es im Bus ist? Wie sich die Buszeit anfühlt? Bist du neidisch und würdest gerne tauschen? Oder einfach neugierig? Dann empfehle ich folgendes Experiment, was du selbst zu Hause ausprobieren kannst. Hierfür wird das das Bettzeug mit Decke und Kissen auf das Sofa verfrachtet. Ist das Sofa ein L oder sehr groß, darf nur eine Hälfte benutzt werden. Auf diese Hälfte kommt nun neben dem Bettzeug auch noch ein Regenschirm, welcher aufgespannt in der Sofaritze aufgestellt wird. Der Schirm symbolisiert die Decke. Darüber hinaus darf sich nicht gestreckt oder der Kopf gehoben werden, anderfalls ist mit Beulen und Prellungen zu rechnen. Auf dem Sofa kann man sich es nun gemütlich machen und genießen. Aber wer aufs Klo muss, muss raus in den Garten oder die nächste Wiese. Wenn der Hunger kommt, alles was ihr schneiden wollt inklusive Werkzeug mit aufs Sofa nehmen und dort vorbereiten. Da merkt man wie unbequem man sitzt. Ganz authentisch wird es wenn ihr ein Kind habt, dass zusätzlich auf dieser Fläche hüpft, spielt und alle Spielsachen ausbreitet. Der große Vorteil, ihr dürft euren Kühlschrank direkt neben das Sofa schieben. Also muss man nicht mehr aufstehen, um sich was Kaltes zu genehmigen. Das Brummen muss man allerdings ertragen. So viel zum Experiment, probiert es gerne einmal aus. Busleben für Zuhause.

Wir fahren währenddessen nach Arrifana, einer kleinen Stadt und muss für jeden Surfer. Die Stadt ist eine kleine Surferstadt mit Läden rund um den Sport im Wasser. Daneben gibt es DEN Strand, der mit wenig Wind und großen Wellen gesegnet ist, wodurch es von oben aussieht als tummelten sich die Ameisen. Die Bretter am Strand bieten einen Regenbogen im Sand und draußen reihen sich die Surfschulen. Alles ist ein wenig alternativ und jung und unser Auto ist eines von sehr vielen Vans. Wir fallen nicht auf, man hat das Gefühl als wäre alles andere etwas besonderes. Wir sind hier her gekommen, weil unsere neue Aufgabe uns hierher zitiert. Es gilt die Nationale Süßigkeit des Pastel de Nata in einem Cafe namens Sea You Surf Cafe zu essen, sowie ein Acaj-Bowl Frühstück zu uns zu nehmen. Laut Facebook und Google ist das Cafe geschlossen. Nicht untypisch für diese Jahreszeit, überall ist die Saison vorbei die Läden, Restaurant und sogar Hotels und Ferienhäuser dicht. Dennoch wollen wir hin und ein Beweisbild machen. Aber statt Bretter vor den Fenstern sehen wir Gäste in Strandkleidung an den Sonnenbeschinnen Tischen sitzen. Wir freuen uns sehr, setzen uns dazu. Gefühlt spricht die Hälfte deutsch, die Kellnerin Englisch und generell haben wir das Gefuhl, das es in Portugal wenig Portugiesen gibt. So viele Touristen oder Auswanderer treffen wir. Wir bekommen unser Frühstück bestehend aus einem Eis, welches aus der Kaktusfrucht hergestellt wird, dazu Pancakes und ein Eis für Lilou. Während wir in der Sonne schwitzen schlemmen wir und die gute Laune geht über den Mund, in den Magen und wieder hinaus auf die ganze warme Haut. Aufgabe erledigt, danke dafür! Und wäre der Ansturm auf das Lokal nicht so groß gewesen, vielleicht wären wir einfach sitzen geblieben.

Da es hier so voll ist, bleiben wir nicht stehen. Wir schlendern der Küste entlang an der Landstrasse und dann wieder auf sandigeren Wegen dem Strand entgegen. Aber der Wind hat zugenommen, so sehr das wir den nächsten geplanten Platz sofort wieder verlassen. Das Auto hinter der Düne steht bereits im Schatten, die Temperaturen dadurch wieder unter 20 Grad und dazu ein Wind gegen den man gebückt laufen muss. Also nicht hier bleiben weiter fahren, was schade ist, da wir hofften hier mehrere Nächte zu stehen. Und mit dem Strand verlassen wir die Zone des Atlantiks, welche wir in Frankreich erreichten und mit hohen Surfwellen gesegnet ist. Wir fahren hinein ins Landesinnere in einen Pinienwald an einen verlassenen Parkplatz mit Toiletten, Grillplätzen und Spielplatz. Extra für Lilou, den man muss sagen, das Portugal sehr spärlich und recht schlecht mit Spielplatz versehen ist. Es gibt kaum welche und die die es gibt sind kaum zu nennen. Eine Schaukel und Rutschte. Ende. Fast schon ein Armutszeugnis wenn man es mit allen anderen Ländern vergleicht. Nur Albanien war ähnlich. Wir bleiben hier, genießen die Möglichkeit auch die Stühle und den Tisch hinaus stellen zu können und gehen auf den Spielplatz sowie an die großen Windräder, die nicht entfernt stehen. Generell fühlt man sich in Portugal nur geduldet, nicht willkommen. Rechtlich gesehen ist es sogar verboten auch nur eine Nacht irgendwo zu stehen und im Auto zu schlafen. Das bekommen wir am nächsten Tag in Lagos zu spüren. Wir wollen hier in der Nähe des Stadtzentrums am Leuchtturm von Lagos schlafen. Den Tag verbringen wir am Strand, spielen mit anderen Kindern, essen Eis und genießen die Sonne auf dem Bauch. Ins Wasser gehen wir nicht, es ist zwar Wellenfrei aber kälter als zuvor. Am Parkplatz beim Strand prangen große Verbotsschilder. Man darf hier nicht über Nacht stehen und die vielen Hotels drum herum wirken nicht sehr einladend. Leider sind die gleichen Schilder auch an einem anderen Platz und dann auch am Leuchtturm. Aber es ist spät, wir müssen rasten, Lilou essen und ins Bett. Also bleiben wir stehen. Es ist voll, viele Autos und Menschen sind hier. Sie schauen sich den Sonnenuntergang an, welcher den Himmel in ein sattes Orange taucht und die einzelnen Wolken rot einfärbt. Sobald die Sonne verschwindet, fahren auch die Autos in Scharen und einzelne Vans und Camper kommen. Ich fühle mich noch nicht so wohl, aber als die Polizei kommt, langsam an allen vorbei fährt, sind wir uns sicher. Hier können wir stehen, im November stört das keinen… Es stört auch keinen bis um 23:30 Uhr, jemand an die Tür klopft. Es sind die uniformierten Männer. Sie sagen uns sehr freundlich, das wir hier nicht stehen dürfen, wir müssen gehen! Ich bin völlig im Tiefschlaf, bekomme kaum was mit und Sarah montiert die Räder und setzt sich ans Steuer. Die Polizei sagt uns sogar wir wir hin sollen, es sind genau 20 Meter weg vom Parkplatz von der Straße runter in die Wiese. Hier stehen acht andere Camper. Den Rest der Nacht schlafen wir ohne Störung und am nächsten Morgen machen wir uns früh auf. Wir lassen das Auto stehen und fahren mit den Fahrrädern und Croozer nach Lagos. Es geht durch die kleinen Gassen, alles wirkt ausgestorben und was wir zuerst für den Winterschlaf halten, stellt sich später als die falsche Uhrzeit heraus. Wir sind zu früh dran, fast die Ersten und erreichen das Lokal unserer Wahl kurz vor der Eröffnungszeit. Somit sind wir die ersten Gäste und erhalten ein herrliches Frühstück, welches von Lilou mit Jubel und Freudenschreien empfangen wird. Alle Leute schauen auf uns und man merkt wie die Freude ansteckt. Keine zwei Minuten später sind alle Beeren herunter gegessen und ein Teil der Pancakes verdrückt. Dann spielt Lilou und Sarah und ich dürfen in Ruhe aufessen. So brav ist Lilou noch nie gewesen. Einfach zufrieden mit sich und der Entdeckung des Platzes. Anschließend geht es weiter, schlendert durch die Gassen den Läden entlang und schauen ab und zu in einen hinein. Man wird direkt auf Englisch angesprochen. In einem Spielzeugladen auch italienisch und die Leute wirken nicht sehr Portugiesisch.

Lagos ist fein und klein und wir damit Mittags noch immer satt wieder draußen. Es geht weiter Richtung Faro der letzten großen Portugiesischen Stadt. Doch wir bleiben vorher stehen, an einem Strand mit Wanderweg und wenig Parkplatz. Wunderbar ist es hier und keine zwei Meter vom Sand entfernt. Im Wasser bilden große Sand- und Kalksteine ein Labyrinth ähnliches Riff, was viele Muscheln, Krebse, Garnelen und Fische anlockt. Lilou und ich klettern und beobachten und blubbern wie die Fische. Es ist herrlich hier. So sehr, dass der Parkplatz abends voll ist. Zwei Deutsche, ein Franzose, eine Belgierin und eine holländische Familie kommen noch. Am meisten freuen wir uns über die Holländer. Es sind Johann und Nelleke mit ihren drei Kindern. Wir haben sie bereits in Nazare getroffen und Lilou mit ihnen gespielt. Es ist das erste Mal auf dieser Reise, das wir jemanden wieder sehen und die Freude ist auf beiden Seiten groß. Lilou zeigt all ihr Spielsachen und freut sich über einen Zuwachs der Puppenfamilie. Die Kinder sprechen bereits Englisch und verstehen viel. So bleiben wir, wie sie auch und verbringen den Tag zusammen am Strand. Es ist genau der Platz, den wir gesucht haben. Einen der es uns ermöglicht länger zu bleiben und das tun wir auch. Drei Nächte sind wir hier. Dreimal beobachten wir die Sonne den Horizont rot färben und den Neumond wachsend die Meeresoberfläche beleuchten. Es sind Naturspektakel, welche sich täglich wiederholen. Genauso wie Ebbe und Flut, welche es ermöglichen im Niedrigwasser die Riffe zu erkunden. Mannshoch aufgetürmt folgt man den teilweiße scharfen Wänden bis zum Meer. Immer wieder tauchen einzelne Becken auf, die zum Planschen und Muscheln sammeln einladen. Lilou traut sich auch ins eiskalte Wasser, um von einer steinerne Stelle die vielen Fische zu beobachten.

Wir nutzen die Zeit aber auch um wieder richtig klar Schiff zu machen, Ordnung zu schaffen und Reparaturen durchzuführen. Die Monate des Reisens machen sich bemerkbar und noch mehr das feucht kalte Wetter der letzten Zeit und in der Nacht. Besonders aggressiv auch die salzige Meeresluft. So kämpfe ich gegen den stark zunehmenden Rost an den Fahrrädern und nun erstmalig auftreten massiver Schimmel im Auto. Unter den Fenstern sammelt sich das Wasser und an der metallenen Oberfläche wächst es plötzlich, wie auch im kompletten Fahrerraum. Ein echtes Problem und bisher völlig missachtet. Mit Reiniger und viel Tuch geh ich ans Werk und wische alles ab, desinfiziere und versuche der Sache Herr zu werden bevor sie ernathaft wird. Die Sonne und warmen Temperaturen helfen mir dabei und ich erfahre, dass wir nicht die einzigen sind mit solchen Problemen. Johanns Stühle muffeln bereits von der vielen Feuchte und er versucht mit Soda diese trocken zu bekommen. Der Schimmel geht, aber ich beobachte, wische täglich Fenster und lüfte das Auto nach dem Frühstück noch aktiver durch. Den Stuhl von Lilou hat es auch erwischt. Die Schrauben rostig und der Lack abgeblättert, darunter schwarzer Schimmel. Also schleife ich alles ab und will es bereits mit Olivenöl bestreichen, um es ein wenig Wetterfest zu machen, da gibt mir Johann Lack, den er übrig hat. Man hilft sich einfach gegenseitig. Und während Sarah mit allen Kindern den Strand unsicher macht, lackiere ich mit Zewa anstatt Pinsel den Stuhl und lasse mir Geschichten von Johann erzählen. Hoffentlich reichen die Reparaturen und das Aufräumen. Alles sollte jetzt schon noch halten.

Während die Holländer am nächsten Tag fahren, bleiben wir noch. Nutzen den Mittagsschlaf von Lilou um uns auch zu erholen und tanken Sonne, Strand und eine aufgewärmte Dusche. Nach der dritten Nacht sind wir alleine, alle sind weiter gefahren und wir packen auch, fahren nach Faro. Wir müssen einkaufen gehen, Waschen und lassen uns ein wenig von den vielen Weihnachtsdekorationen verwundern. So ganz glauben kann ich es nicht, das Winter ist, das der Dezember bald da ist und wie ich in kurzer Hose in Weihnachtsstimmung kommen sollen, kann ich mir erst Recht nicht vorstellen. Auch wenn Faro Leuchtturm heißt, ist der Leuchtturm eher außerhalb der Stadt und nur mit einem Boot zu erreichen. Die Stadt scheint im Sommer von Hitze gesegnet zu sein. Alles ist weiß, um Kühle zu spenden und die Straßen sind mit großen Sonnensegeln abgespannt. Schatten und Kühle heißt es hier und so ist es abends ziemlich frisch als wir mit den Rädern zurück zum Parkplatz fahren.

Das war es dann mit Portugal und dem letzten Neuen Land. Am nächsten Tag geht es weiter Richtung Grenze, welche bei einer großen Brücke angeschrieben ist. Wieder zurück in Spanien. Das erste Mal das wir uns nicht informiert haben, welche Bestimmungen gelten. Die Impfbescheinigung liegt im Handschuhfach, aber kontrollieren tut auch hier niemand. Der erste Platz ist erneut ein Strand und wie es scheint sehr bekannt. Ein wilder Campingplatz mit einigen anderen. Sie warten auf die Fähre, um nach Afrika, Kanaren oder Teneriffa überzusetzen. Alle hier um zu überwintern, Deutschland wollen sie nur im Sommer sehen. Der Altersdurchschnitt ist seit Arrifana deutlich gestiegen und so sind die meisten Rentner oder passiv arbeitendes Volk wie Vermieter. Ähnlich wie auf einem Camping wird man angesprochen, will jeder jeden sehen, Grüßen und sich austauschen. Aber für mich ist es zu anstrengend und so flüchte ich auf den Strand, entdecke mit Lilou die Dünen und beobachte erneut das Naturspektakel. Die Kleine ist glücklich mit dem Sand, spielt mit den Muscheln und hüpft über den Steg. Jetzt sind wir wieder in Spanien, denke ich mir. Nun ist es wirklich der Rückweg. Den so fühlt es sich an, schon längst ist mehr als die Hälfte hinter uns und das Ende fühlt sich deutlich greifbar an. Es ist nun bereits ein Heimweg, auch wenn er erst langsam ist, so wird er doch an Fahrt zunehmen. Wir lassen immer wieder Revue passieren und gleichzeitig freuen wir uns auf zu Hause. Dann gibt man wieder Gas, sieht die rote Sonne über Bergen, Wäldern oder Meer verschwinden und fragt sich, sollen wir nicht einfach doch weiter fahren?

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