Meer, Meer und noch Mehr

Unlösbar scheint die Aufgabe. Viel zu schwer. Ein Rätsel, dass ich nicht verstehe. Es fängt mit einer Freundschaftsgeste an und hört mit Haareraufen auf. Aber wir nehmen es ernst, wir müssen es lösen!

Als wir gestartet sind, haben uns Freunde und Bekannte zum Abschied kleine Überraschungen überreicht. Alle mit viel Gedanken an uns und unsere Reise. Es waren Briefe mit Ratschlägen dabei und Aufmunterungen, ein Kochbuch für Busreisen, ein USB-Stick mit Musik, Kinderhörspiel und eine Art Adventskalender. Ein Kalender mit 20 Türchen, welche unterschiedliche Symbole beherbergen. Dazu gab es einen kleinen Karton, der Briefe und kleine Pakete enthält. An bestimmten Tagen z.b. Anfang des Monats, Geburtstag etc. oder beim Erreichen bestimmter Länder, dürfen wir ein Türchen öffnen. Das Symbol findet sich auf den Umschlägen oder Päckchen wieder, welche dann geöffnet werden dürfen. Es sind nette Worte, Telefonanrufe, Konfetti, Kerzen, Musik und vor allem Aufgaben darin enthalten. An Ostern mussten wir bemalte Eier zeigen können, oder ein Video mit Tanz schicken. Von der Nordsee sollen wir einen Fisch mitbringen, aber da müssen wir erst noch hinkommen. Alle Bierdeckel müssen gesammelt werden und und und…. Die bisher größte Herausforderung steckte in der Albanienländerkarte.

Eigentlich war nur ein Text enthalten:

Na, wer von euch versteht was wir nun tun sollen? Ja genau, da steht man doof da. Erstmal rausfinden was da eigentlich zu tun ist. Erstes Rätsel. Aber das ist schnell gelöst. Dank Internet und Übersetzungsprogrammen verstehen wir, dass wir ein Foto mit Adrian Gurma, dem Bürgermeister von Saranda, machen sollen. Sofort beginnt mein Kopf an zu grübeln. Wo ist der Gag? Was ist der Haken? Wie soll das gehen? Sarah erwidert gleich, dass genau das der Gag ist und es sicher eine Statue von ihm gibt. Mein Kopf grübelt weiter.

Wir haben den Strand verlassen ohne auch nur einmal im Wasser zu sein. Es war zu windig und stürmisch als das es verlockend gewesen wäre. Wir folgen der Straße und lassen uns treiben. Man taucht ein in die Landschaft und verliert sich im Blick. Hügelige grüne Landschaft nur ab und zu unterbrochen von einem Haus oder Ruine. Am Straßenrand gibt es mehr Gedenkstätten als Verkehrsschilder. Vorwiegend für Männer, manchmal auch für Paare oder sogar Familien. Es gibt viele Verkehrstote und die Tafeln mahnen. Dabei sind die Straßen besser als in Italien. Giuglio hatte dies schon berichtet. Das Problem sind zum einen der Alkohol am Steuer, was kaum gerügt wird, und zum anderen die Möglichkeit sich den Führerschein zu kaufen. Tommy und Bona haben so ihren jüngsten Sohn verloren. Er war Beifahrer auf einem Motorrad. Grund war der Alkohol. Der Blick geht wieder in die Ferne.

Wir landen in der Nähe eines Waldes und gegenüber von Olivenhainen auf einem Picknickplatz. Die Tische und Stühle sind aus Beton und der Müll quillt über die vorgesehenen Tonnen. Der Platz ist aber schön, bietet einen Hängemattenbaum und für Lilou Ziegen. Wir sind oben auf einem Hang und wir wollen bleiben, um am nächsten Tag herab zu steigen und uns Gijpe-Beach anzusehen. Es ist immer noch windig, aber es soll besser werden. Es ist einiges los, es kommen Wanderer an uns vorbei und immer wieder fährt ein Campingbus oder ähnliches Gefährt vorbei. Ein Pärchen parkt mit ihrem Unimog im Olivenhain. Dort parken wollten wir nicht, zumindest nicht ohne vorher zu fragen. Das erstaunliche ist, dass sie und die meisten Wanderer Deutsche sind. Zum ersten Mal auf der Reise treffen wir auf andere und dann sind sie auch noch aus dem gleichen Land. Es wirkt fast als wären sie geflohen und suchen hier die Freiheit. Am nächsten Tag spitzt es sich richtig zu. Vor allem als ein kleiner Konvoi aus einem Transporter, einem Campingbus und einem riesigen ehemaligen Feuerwehrauto kommen und sich zwischen die Oliven stellen. Drei Familien mit eins, zwei und drei Kindern aus Deutschland und Österreich. Sie sind seit 8 Monaten unterwegs und seit kurzem auch gemeinsam. Es ist leichter für die Kinder und Lilou stürzt sich sofort zu ihnen. Es sind die ersten Kinder die sie sieht und obwohl sie sofort einmarschiert, bleibt sie vorsichtig fest an der Hand von Sarah oder mir in einiger Entfernung stehen und beobachtet. Es ist super spannend für sie, was sie machen und wie sie spielen. Erst beim nächsten Treffen spielt sie mit und auch nur weil ein Ball im Spiel ist. Das kennt sie auch und weiß mittlerweile wie man wirft. Zwar nicht zielgerichtet aber bei der Anzahl an Kindern kommt er irgendwo an. Es ist eine richtige Kinder-Party! Die Eltern nehmen das Reisen sehr ernst, wollen nicht mehr anders und machen sich Gedanken über Homeschooling. Das Feuerwehrauto hat sogar eine Waschmaschine und neben den drei Kindern und zwei Erwachsenen auch 5 Katzen. Eigentlich war es eine, die sie in Italien mitgenommen haben. Aber die hat sehr bald danach Katzenbabys bekommen. Also ist alles mehr an diesem Platz. Mehr Menschen, mehr Camper und mehr Geschichten.

Wir steigen ab und folgen dem beschilderten Pfad nach Gijpe-Beach. Man läuft den Canyon entlang und wird immer wieder auf Panoramaecken hingewiesen. Alles ist ein wenig älter und nicht mehr im besten Zustand. Deshalb gehe ich nicht auf die gläserne Aussichtsplattform. Zwei Platten fehlen schon, das restliche Glas ist gesplittert. Gegen Ende wird es steil und Lilou läuft nicht mehr selbst, sondern wehrt sich in der Manduka. Man kann den Strand von oben schon sehen und kurz bevor wir ihn erreichen, schläft die Kleine ein. Der Strand ist wunderschön aber keinesfalls einsam. Ein Eco-Camping erstreckt sich über den hinteren Teil und es stehen einige Zelte am Strand. Es ist kiesing und teilweise sandig. Das Meer ist glasklar und blau wie aus dem Bilderbuch. Einer der schönsten Strände. Und jeder der Klettern und Schwimmen mag, sollte mal vorbei schauen. Den der Canyon ist mit einigen Routen versehen und so sind den ganzen Tag Jugendliche am Klettern, Schwimmen und Sonnen. Lilou schläft auf den Handtuch und wir rennen direkt rein. Sogar Sarah, so verlockend ist das helle blau. Wir verbringen den Tag dort und genießen es. Oben angekommen stehen acht Camper verteilt herum. Italien und die Einsamkeit war echt ein Luxus und gleichzeitig ist man neugierig die Geschichte der anderen zu erfahren.

Am nächsten Morgen geht es weiter, Richtung Saranda. Es gibt eine Aufgabe zu lösen. Auf der Fahrt dorthin diskutiere ich erneut mit Sarah. Wie stellen wir das an? Wie machen wir das? Eine Statue soll es nicht geben, dass haben wir bereits von einigen gehört. Saranda ist eine ziemlich touristische und neue Stadt. Die meisten Schilder sind auf Englisch und neben Hotels und Geschäften für Badesachen gibt es viele Restaurants. Die Hotels sind ganz nett von außen, aber es wirkt nicht nach einer Stadt mit viel Geschichte und Charakter. Wir essen etwas, dann geht es zum Rathaus. Wir müssen den Bürgermeister treffen. Das Rathaus sieht aus wie eine Bar, aber direkt drinnen treffen wir ihn. Den Bürgermeister und er ist freundlich wie alle Albaner. Also machen wir ein Foto. Aufgabe gelöst!

Der Bürgermeister von Saranda

Saranda hat viel Strand, aber der ist mit Liegen und Strandbars verbaut. Wir fahren weiter in den Süden und erreichen The Last Bay. Es ist der letzte Strand von hier und auch für uns. Wie hatten nun in Italien und hier einige Strände, Meer, Schwimmen, Wind und Sand. Wir wissen es geht nun in den Norden, weg vom Meer. Also genießen wir gleich zwei Tage hier. Nochmal Sommerurlaub mit 28 Grad, Meer und nahezu Einsamkeit. Es ist nur ein anderer Camper hier. Österreicher mit zwei Kindern und 2 Monaten Urlaub. Wir feiern Geburtstag mit Hängematte, Schwimmen, Kuscheln, Konfetti und leckeren Kuchen aus der Konditorei des nahen Dorfes. Es ist so schön, wir bleiben zwei Tage und sind in Versuchung noch länger zu verweilen. Aber es kommen vier weitere Camper und wie merken, man muss gehen, wenn es am schönsten ist. Dennoch verbringen wir ein Abend mit einem Pärchen. Sie verbringen ihre Elternzeit im ausgebauten Transporter, nachdem Corona ihnen die Pläne in die Heimat Singapur zu reisen, vereitelt hat. Ein anderes Paar hat in Griechenland überwintert, wie so einige und reist nun Richtung Skandinavien. Es sind viele die für einige Monate unterwegs sind und man kommt sich noch ein wenig lächerlicher vor, jemals soviel Zweifel, Sorgen und auch Ängste davor gehabt zu haben. Es ist einfach nur super und einfach.

Dann verlassen wir den Strand, ein wenig traurig und nicht ohne nochmal kräftig zu tanzen. Wir haben auch in einem der Kalender-Türchen eine super Musik-Playliste erhalten. Danke an Lene und Philipp! Wir haben sie in unsere integriert und wenn ihr Spotify habe und ein wenig Honeycomb spüren wollt, dann nur zu: Spotify-Honeycomb-Playlist. Vorbei ist es nun mit Meer, aber wir wollen mehr.

Es gibt mehr! Nächster Halt das Landesinnere und das sogenannte Blue Eye! Wir haben unterwegs von anderen davon gehört, irgendetwas in einem Fluss und ganz nett anzuschauen. Man zahlt 200 Lek um reinfahren zu können. Man folgt einer schroffen Straße in ein Naturbiotop von ganz besonderem Ausmaß. Erst sieht man nur einen See, der ruhig und mächtig am Hang der beginnenden Berge liegt. Dann wird man kurz von Schildern der Restaurants und Hotels abgelenkt, parkt auf einem Schotterparkplatz, um dann auszusteigen und einzutauchen. Eine Oase und ein Füllhorn an Geräuschen. Man hört den Fluss rauschen, Frösche quarken und Touristen trampeln. Wir sind unter der Woche da, alle haben uns geraten nur unter der Woche anzukommen. Es sind einige da, am nächsten Tag werden es noch mehr. Aber es ist auch zu schön. Riesige Blätter, hohe Gräser und grüne Bäume erstrecken sich, um das ganze Gebiet. Es hat etwas tropisches. Der Fluss ist glasklar und kräftig. Lilou streiten über die kleine Fussgängerbrücke, bei der bereits drei Planken fehlen, hinüber Richtung Wiese. Es grassen Ziegen und dahinter taucht ein Souvenirshop auf. Daneben stehen einige Leute. Aber nicht zum shoppen, sondern sie betrachten das Wasser und als wir näher kommen erkennen wir es. Blue Eye. Die Quelle dieses Flusslaufs. Ein tiefes Loch, aus dem 7,5 m3/s Wasser hervorschießen. Grund ist ein gespannter Grundwasseraquifier, der aber nicht immer so stark strömt. Die Tiefe verleiht den dunklen Effekt, welcher mit dem türkisen Blau des Flussbetts ein Auge erahnen lässt. Wie tief das Loch ist, hat man nicht gemessen. Das macht es noch mystischer, aber es gibt Taucher die auf 25 Meter an einem Seil hinabtauchen. Es ist sehr kalt und ich komme mit der Taucherbrille gerade mal wenige Meter runter bevor der Kopf schmerzt. Aber es ist himmlisch und wunderbar. Ich tauche immer wieder ab und bekomme nicht genug. Einmal lass ich mich auch von der kräftigen Strömung mitreißen und steige beim Restaurant am Ende aus. Die ganze Haut brennt.

Viel schöner als das Blau des Wassers, ist das der außergewöhnlichen Libellen. Sie sehen aus wie eine Kreuzung aus Schmetterling und Libelle. Sie schwirren hier zu hunderten umher. Ich habe versucht eine zu fotografieren.

Sarah lacht ein wenig, und meint, sie macht auch mal eins.

Man merkt, man braucht nicht nur eine gute Kamera, sondern auch jemand der sie bedienden kann. Also nimmt Sarah die Kamera und schießt die Tierfotos. Den Tiere der kleinen Sorte gibt es hier haufenweise. Viele habe ich noch nie gesehen und Lilou rennt vereinzelt dem einen oder anderen Falter hinter her. Am Abend, als alle Touristen weg sind und die meisten Camper schon schlafen, findet aber das eigentlich Schauspiel statt. Ich habe so etwas noch nie vorher gesehen. Tausende von Glühwürmchen sammeln sich in den Gräsern und führen die Kunst ihrer Lichter vor. Ein Impuls startet und sie Lichtwelle breitet sich über das gesamte Gebiet aus. Lilou schläft, aber Sarah und ich genießen das Spektakel. Und man denkt jedesmal wieder: Mehr geht doch einfach nicht.

P.S. Alles hier drin entspricht der Wahrheit. Mit Ausnahme des Rathausbesuchs in Sarranda. Wir konnten trotz unserer Bemühungen den echten Bürgermeister von Sarranda nicht treffen. Aber zum Glück hatten wir ein Foto von Marco gemacht, welches wir leicht bearbeitet hier zeigen können. Er ist auch ein Bürgermeister. Von seiner Bar, den Gänsen, Hühnern und Bienen;) Wir hoffen es zählt dennoch ein wenig als gelöst?

2 Comments on “Meer, Meer und noch Mehr”

  1. Ihr Lieben!

    Wir verfolgen gerade mal wieder euren Blog beim wöchentlichen Kaffeetrinken. Sooooo schön!

    Lene & Oma und die anderen beiden Generationen.

    1. Gutes Kaffeetrinken! Wir stoßen mit an und freuen uns über fleißige Leser. Der nächste Eintrag ist schon am entstehen! Viele Grüße aus Bulgarien

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